Pressemitteilung: Unterzeichnung des Staatsvertrages jährt sich zum zehnten Mal
Am 15. Januar 2013 haben die islamischen Religionsgemeinschaften mit der Freien Hansestadt Bremen und der Seestadt Bremerhaven einen Staatsvertrag unterzeichnet. Rückblickend auf die vergangenen zehn Jahre kann dieser besondere Moment als wichtiger Meilenstein und Initialzündung für die vielen folgenden positiven Entwicklungen gewertet werden. Die Zusammenarbeit der islamischen Religionsgemeinschaften mit den öffentlichen Institutionen wurde mit diesem Schritt auf eine neue Ebene gehoben und in zahlreichen Bereichen intensiviert. Aus heutiger Sicht kann dieser Tag als historisch betrachtet und als eine neue Epoche der Anerkennung und Teilhabe der Muslime sowie des Islams in Bremen und Bremerhaven angesehen werden. Unser Dank gilt allen Unterstützern und Mitstreitern, die dies mit ihrem Engagement und persönlichem Einsatz ermöglicht haben. Wir hoffen im Laufe des Jahres eine angemessene Gelegenheit zu finden, wo wir das zehnjährige Jubiläum der Unterzeichnung des Staatsvertrages mit allen Bremerinnen und Bremern gebührend begehen können.
Der Staatsvertrag ist mehr als nur ein Symbol. Er hat sich über die Jahre bewährt und bildet in zahlreichen Fällen das Fundament unserer offenen und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den staatlichen Institutionen. In ihr werden u.a. die wesentlichen Rahmenbedingungen für die muslimische Seelsorge, das muslimische Bestattungswesen, die islamischen Feiertage oder das Recht auf Moscheeneubauten geregelt und behandelt. Die Bedeutung und Signalwirkung der Vereinbarung auf die verschiedenen Institutionen und Entscheidungsträger ist auch über die Landesgrenzen hinaus weiterhin spürbar.
Der Bau der Fatih Moschee in Bremerhaven oder der von einer breiten Masse unterstütze Neubau der Quba Moschee in Hemelingen zeugen hiervon. Die mittlerweile institutionalisierte muslimische Seelsorge in der JVA Bremen oder die geförderten Jugendprojekte der Schura gehören zu den Erfolgsgeschichten, deren Ursprünge auf den Vertrag zurückzuführen sind. Der sich im Zuge der Verhandlungen zum Staatsvertrag verstärkte innerislamische Dialog hat sich etabliert und auch der interreligiöse Dialog mit den Kirchen und der Jüdischen Gemeinde hat ein neues Niveau erreicht.
Nach 10 Jahren der Praxis ergeben sich für uns aber auch inhaltliche Verbesserungs- und Erweiterungspotenziale des gegenwärtigen Staatsvertrages. Aus der muslimischen Perspektive ist die Einflussmöglichkeit auf den Bremer Religionsunterricht nicht gegeben und zusätzlich unter den Religionsgemeinschaften ungleich verteilt. Der Bedarf islamische Speisevorschriften in öffentlichen Kantinen einzuhalten wird nicht oder kaum wahrgenommen und berücksichtigt. Das Thema Kopftuch im öffentlichen Dienst und in der freien Wirtschaft ist weiterhin aktuell, aber bei vielen nicht mehr präsent. Die Einbeziehung als Religionsgemeinschaft bei der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften, Polizisten oder Feuerwehrleuten zum Abbau von Vorurteilen und Ressentiments ist stark ausbaufähig. Der große Bedarf an muslimischer Krankenhausseelsorge in unseren Krankenhäusern ist für uns ein wichtiges Anliegen, aber im Gegensatz zur Gefängnisseelsorge noch nicht institutionalisiert.
Wir blicken mit Zuversicht in die Zukunft. Die Bremer und Bremerhavener Muslime werden gemeinsam mit ihren Unterstützern den angetretenen Weg weiterverfolgen und das mittlerweile selbstverständliche und respektierte muslimische Leben noch stärker und tiefer in unserer Gesellschaft verwurzeln und verankern. Bestehende Strukturen und Institutionen der Muslime werden erweitert und der Prozess der Institutionalisierung des Islams im Land Bremen wird, so Allah will, weiter voranschreiten. Für die islamischen Religionsgemeinschaften war der vor 10 Jahren unterzeichnete Staatsvertrag ein wichtiger Zwischenschritt auf dem Weg zur Gleichbehandlung als Religionsgemeinschaft mit dem Ziel der Erlangung des Status Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Gleichstellung mit den anderen Religionsgemeinschaften würde eine stärkere Basis und eine neue Stufe der Zusammenarbeit bedeuten.
Im kommenden Mai finden die Bürgerschaftswahlen im Land Bremen statt. Vor diesem Hintergrund appellieren wir an die Parteien sich klar und öffentlich zu den für die Muslime wichtigen Themen in ihren Wahlprogrammen und Aussagen zu positionieren und offen für Anregungen zu sein. Die Schura Bremen steht gerne für einen Austausch zur Verfügung.